Emsbürener engagieren sich für afghanische Flüchtlinge

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Emsbürener engagieren sich für afghanische Flüchtlinge

Emsbüren. Wer aus einem anderen Land, einer anderen Kultur zu uns kommt, sieht sich vielen neuen Eindrücken, unbekannten Strukturen und vielen Problemen ausgesetzt. Die Gruppe ehrenamtlicher Integrationslotsen in Emsbüren versucht, diesen Menschen Orientierung zu bieten, sie zu betreuen, zu begleiten, zu unterstützen, zu fördern und zu unterrichten.

In Emsbüren ist eine Vorzeigegruppe entstanden, die gegenseitiges Vertrauen und Verständnis fördert und mit vielen Ideen auf dem Weg zur Integration Orientierung in der neuen Heimat ermöglicht. Fragen rund um Themen wie Wohnen, Arbeiten und Leben in der neuen Umgebung stehen dabei im Mittelpunkt. Langjährige Erfahrungen als Integrationslotsen haben Christine Lühle-van Dam und Doris Sager. „Unsere Gruppe ist aus einer der KFD entstammenden Multi-Kulti-Gruppe entstanden“, weisen die engagierten Frauen auf die Ursprünge hin. Die christliche Nächstenliebe habe dabei sicherlich eine wichtige Rolle gespielt. Bis zu 18 Nationalitäten leben zeitweilig in Emsbüren. Eine große Gruppe davon kommt heute aus Afghanistan.

Pfarrer Stefan Schwegmann „Imam von Emsbüren“

Gemeinsam haben Schutzsuchende aus Afghanistan mit den Integrationslotsen kürzlich im Rahmen des Pfarrfestes der St.-Andreas-Kirchengemeinde einen Stand aufgebaut und dort Köstlichkeiten – von süß bis scharf – aus ihrer Heimat gegen eine kleine Spende angeboten. Damit wollte man die Renovierungsarbeiten der katholischen Kirchengemeinde unterstützen. Das Angebot fand großen Zuspruch bei den Pfarrfestbesuchern. Auch Pfarrer Stefan Schwegmann gehörte zu den Feinschmeckern. Er stellte sich den muslimischen Mitbürgern vor: „Ich bin sozusagen der Imam von Emsbüren.“ Letztlich kamen 248,80 Euro an Spendengelder zusammen.

Viele sind traumatisiert und leiden

Gebacken und die Produkte am Stand angeboten haben auch drei junge Mädchen: die 13-jährige Nabila, Fereshteh (18) und Zarina (22). In einem Gespräch mit der Redaktion schilderten sie ihre aktuelle Situation in Emsbüren und ihre Berufswünsche. Alle drei fühlen sich schon gut integriert. Lernen, lernen und nochmals lernen bestimmt den Tagesablauf, um die gesteckten Ziele zu erreichen. In dem Gespräch wurden übrigens Fluchtursachen und die Flucht auf Wunsch der Mädchen ausdrücklich ausgeklammert. „Wir kennen die Details weitestgehend und bitten um Verständnis, dass die ganz schlimmen Lebenserfahrungen der jungen Leute nicht vertieft werden; viele sind traumatisiert und leiden darunter“, hieß es seitens der Integrationslotsen.

Klares Berufsziel vor Augen

Die Jüngste in der Gesprächsrunde ist Nabila, die allerdings am längsten in Emsbüren lebt. Sie kam vor sieben Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern nach Emsbüren. Obwohl sie kein Wort Deutsch sprach, wurde sie in die erste Klasse der Waldschule Leschede eingeschult. Inzwischen besucht sie die siebte Klasse der Gesamtschule Emsland in Lingen. Ihre Lieblingsfächer sind Mathe, Englisch, Musik und Naturwissenschaften. Die 13-Jährige hat ein klares Berufsziel vor Augen: Sie möchte Medizin studieren und vielleicht einmal Chirurgin werden.

Für afghanische Mädchen ungewöhnlich gute Schulbildung

Vor eineinhalb Jahren kam Fereshteh gemeinsam mit ihrem 19-jährigen Bruder nach Emsbüren. Sie besuchte zunächst einen VHS-Deutschkurs für Flüchtlinge. „Fereshteh verfügte über eine für afghanische Mädchen ungewöhnlich gute Schulbildung und zeigte sehr gute Fortschritte“, erinnert sich Christine Lühle-van Dam. Inzwischen besucht sie eine so genannte „Sprint-Klasse“ für unbegleitet geflüchtete junge Menschen an den BBS in Lingen. Über diesen Weg sollen die Betroffenen schneller in die Berufsschulklassen eingegliedert werden. Ziel ist der deutsche Hauptschulabschluss. Berufliche Orientierung hat die 18-Jährige bei einem Praktikum im St.-Josef-Kindergarten sowie in der Zahnarztpraxis von Arno Leuschner in Lingen erfahren. „Ich kann mir gut vorstellen, einmal Zahnheilkunde mit dem Ziel Zahnarzt zu studieren.“

Förderung durch Patenfamilie

 

Gefördert wird sie von einer Emsbürener Patenfamilie. Ihre „deutsche Mama“ hat dafür gesorgt, dass sie eine kleine Wohnung beziehen konnte und unterstützt sie beim Erwerb des Führerscheins. In dem Zusammenhang weist Doris Sager auf die Bereitschaft einiger Familien in Emsbüren hin, die jungen Leute zu unterstützen und ihnen auch Familienanschluss zu bieten. Der Bruder von Fereshteh hat übrigens nach einem Praktikum mit Unterstützung der Integrationslotsen bei der Firma Kfz-Abeln in Emsbüren eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker begonnen.

Viel Spaß an der Arbeit

 

Die Klasse „Sprint III“ an den BBS besucht Zarina, die ebenfalls seit eineinhalb Jahren in Emsbüren lebt. Neben dem intensiven Sprachunterricht stehen Fächer wie Mathe, Sport und Politik auf dem Stundenplan. Ihr großes Hobby ist das Kochen. Vor diesem Hintergrund könnte sie sich gut eine Ausbildung im hauswirtschaftlichen Bereich vorstellen. Aber auch die Altenpflege kommt in Betracht. Zarina und Fereshteh arbeiten an Wochenenden im Bauernhofcafé In’t Hürhus der Familie Hulsmeier in Mehringen und haben viel Spaß an der Arbeit.

Lob für die hilfsbereiten Emsländer

 

An dem Gespräch nahm auch Farima, eine Tante von Nabila teil, die seit 17 Jahren in Hamburg lebt und zu Besuch in Emsbüren weilte: „Meine Schwester und andere Landsleute haben mich gebeten, die besten Grüße und den Dank an das Team der Integrationslotsen zu überbringen. Sie alle loben die hilfsbereiten Emsländer. Die meisten trauen sich aber noch nicht, an einem Pressegespräch teilzunehmen, zumal sie die deutsche Sprache noch nicht so gut köEin Bild von Heinz Krüssel

Ein Artikel von Heinz Krüssel

Lingener Tagespost vom 19.09.2017

 

 

Der Verein „Willkommen im südlichen Emsland – Integrationslotsen e. V.“ wurde im März 2016 in Lingen gegründet. Zweck des Vereins ist es, Zuwanderer bei der Integration zu begleiten und zu unterstützen.

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